Vom Hören im Alter bis zur Risikokommunikation in demokratischen Gesellschaften: 16 neue Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler kommen ans Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK)

16 neue Fellows aus 10 Ländern kommen für je 3-10 Monate ans HWK nach Delmenhorst. Sie erforschen unter anderem das Hören im Alter, die Auswirkungen von "Big Data" auf die Berechnung von Versicherungsprodukten und die Risikokommunikation in demokratischen Gesellschaften. Das HWK ermöglicht ihnen die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten der Universitäten Bremen und Oldenburg. Zwei von ihnen erforschen die Begegnung der Wissenschaften mit den Künsten.

Bildmaterial und Gesprächstermine auf Anfrage verfügbar (Kontaktdaten am Fuß dieser Email).

BRAIN + MIND

  • Prof. Dr. Laurel Carney (USA) erforscht in Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern an der Universität Oldenburg die Funktion des auditorischen efferenten Systems. Diese absteigenden Bahnen vom Hörkortex zum Innenohr sind im Gegensatz zu den aufsteigenden vom Ohr zum Gehirn bisher wenig erforscht. Sie spielen jedoch eine wichtige Rolle für die Leistungsfähigkeit des Hörsinns und bei Beeinträchtigungen des Hörens im höheren Lebensalter. Mit Computermodellen will Prof. Carney herausfinden, welche Mechanismen die Leistungsfähigkeit dieser Hörbahnen beeinflussen.
  • Dr. Abhishek Cukkemane (Deutschland) forscht mit Kolleginnen und Kollegen an der Psychiatrischen Klinik der Universitätsmedizin Oldenburg an der biochemischen Basis der Schizophrenie. Sein Ziel ist die Kombination traditioneller psychopathologischer Diagnostik mit moderner Metabolomics-Technologie, der Untersuchung von molekularen Stoffwechselprodukten im Nervensystem mithilfe von Magnetresonanzspektroskopie (NMR), Big Data Analyse und Maschinenlernen. So sollen Diagnostik und Therapie der Schizophrenie verbessert werden.
  • Prof. em. Dr. Clayton Lewis (USA) arbeitet an einem Sachbuch darüber, was moderne generative Sprachmodelle wie chatGPT über die menschliche Kognition verraten. Seine Betrachtung dieser Sprachmodelle von der Warte der Kognitionsforschung aus sucht einerseits neue Wege für eine Erweiterung der Möglichkeiten von KI über Sprachmodelle hinaus aufzuzeigen. Andererseits erwartet er von seiner Forschung neue Erkenntnisse über die Funktionsweise der menschlichen Kognition.

EARTH

 

  • Assoc. Prof. Dr. Benoit Lebreton (Frankreich) erforscht am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) das Wachstum mariner Mikro- und Makroalgen in arktischen Fjorden. Es unterliegt großen jahreszeitlichen Schwankungen und könnte sich durch die  Erderwärmung stark verändern. Dies würde auch die komplexen Nahrungsnetze gefährden, an denen Algen als Produzenten beteiligt sind. Prof. Lebreton interessiert, ob Wattgebiete als Nährstoffreservoirs für Tiere fungieren und was mit den Nahrungsressourcen geschieht, wenn das Algenwachstum einen Tiefpunkt erreicht. So sollen polare Küstenökosysteme besser geschützt werden können.
  • Dr. Christian Mohn (Dänemark) untersucht in Zusammenarbeit mit dem MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel den Einfluss von Meeresströmungen auf die Nährstoffversorgung benthischer Ökosysteme in der Tiefsee. Die dort üblicherweise nährstoffarmen Bedingungen stehen im Gegensatz zu Ihrem oft großen Artenreichtum. Dr. Mohn untersucht Wachstum und Riffbildung von Kaltwasserkorallen im Südostatlantik, wo diese in hochspezialisierten Lebensgemeinschaften leben. Anhand von Beobachtungsdaten und Modellierungstechniken erhofft er sich neue Erkenntnisse über Entwicklung und Funktion dieser Tiefseeökosysteme.
  • Prof. Dr. Ulrich G. Wortmann (Kanada) erforscht an der Universität Bremen die Fähigkeit des Ozeans, Kohlendioxid aufzunehmen. Die meisten Rechenmodelle, mit denen die dafür verantwortlichen biologischen und chemischen Prozesse bisher simuliert werden, gehen von der Verfügbarkeit von Sauerstoff in den Meeren aus, obwohl es erdgeschichtlich viele Beispiele gibt, in denen ein vollständiger Sauerstoffverlust höheres Leben unmöglich machte. Prof. Wortmann sucht die Auswirkungen zu verstehen, die eine Entwicklung von einem sauerstoffreichen zu einem sauerstoffarmen Meer auf dessen Fähigkeit hätte, atmosphärisches Kohlendioxid aufzunehmen.

ENERGY

  • Asst. Prof. Dr. Christian Furrer (Dänemark) erforscht an der Universität Oldenburg das Design, die Bepreisung und die Steuerung von Versicherungsprodukten. Dies geschieht typischerweise mittels versicherungsmathematischer Berechnung auf der Basis großer Datenmengen. Die Verfügbarkeit solcher Daten hat heute dramatisch zugenommen, was das Bedürfnis nach Datenüberwachung zum Schutz von Privatsphäre und Sicherheit entstehen ließ. Eine solche Überwachung beeinflusst diese Daten jedoch, z.B. durch das "EU-Recht auf Vergessen". Dr. Furrer untersucht, wie unter diesen Bedingungen Versicherungsrisiken noch modelliert und Versicherungsprodukte gestaltet werden können.
  • Prof. Dr. Lucy Pao (USA) untersucht an der Universität Oldenburg die Bestrebungen vieler Länder, ihre Energieerzeugung und Energieverteilungsnetze zu dekarbonisieren. Um die erzeugten Energiemengen zu erhöhen, werden z.B. Windturbinen immer leistungsfähiger. Um die entstehenden Entwicklungsgrenzen zu überwinden, sucht man, Systemdesign und Systemkontrolle stärker zu integrieren. Prof. Pao erforscht diese Integration beim Design extrem leistungsfähiger und schwimmender Windturbinen sowie Windfarmen mittels Simulationen und Experimenten.
  • Prof. Dr. Yakov Shnir (Belarus) untersucht Gravitationswellen, die durch die Kollision schwarzer Löcher entstehen, im Rahmen einer Kooperation mit dem DFG-Forschungsprojekt "Models of Gravity" unter Beteiligung auch der Universitäten Bremen und Oldenburg. Das Projekt von Prof. Shnir setzt eine zwanzigjährige Kooperation mit diesen Teams fort und beabsichtigt die Erforschung neuer Arten von schwarzen Löchern mit sychronisierten Materiefeldern. Prof. Shir erhofft sich davon Erkenntnisse mit breitem Nutzen für die Astrophysik und das Verständnis der klassischen Schwerkrafttheorie.
  • Prof. Mohammad Reza Rahimi Tabar (Iran) erforscht an der Universität Oldenburg die Wechselwirkungen von Teilsystemen komplexer Systeme wie z.B. dem Klima. Deren Zustände ändern sich kontinuierlich und führen zu einer mehrdimensionalen stochastischen Dynamik. Prof. Rahimi Tabar will zeigen, dass die paarweisen, dreifachen und höherwertigen Wechselwirkungen aus den statistischen Eigenschaften gemessener Zeitreihen in den Teilsystemen abgeleitet werden können und konstruiert dazu beispielhaft den Dynamikfluss in der Leistungskurve einer Windkraftanlage anhand der Zeitreihen Geschwindigkeit und Leistung.

SOCIETY

  • Prof. Dr. Anja Louise Bandau (Deutschland) interessiert sich für Diskurse der Aufklärungszeit über Sklaverei, Revolutionen versklavter Menschen und welchen Einfluss diese noch heute auf die Wahrnehmung von Menschen afrikanischer Herkunft haben. Sie erforscht u.a. am Beispiel Haitis wie literarische Ausdrucksformen Erwartungshorizonte erzeugen und Gesprächsräume für Diskurse über die gesellschaftliche Einbeziehung versklavter Menschen schaffen oder verhindern. Dazu untersucht sie Stilformen der französischsprachigen Literatur.
  • Prof. Dr. Francesca Fulminante (Großbritannien/Italien) erforscht die Bestattungspraktiken antiker italienischer Bevölkerungen der Zeit 1000-300 v. Chr. Sie interessiert, wie gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlechtlichkeit in diesen zur Geltung kommen. Dazu untersucht sie ethnische und kulturelle Gruppen wie u.a. Lateiner, Etrusker und Griechen aus vergleichender Perspektive. Durch die Analyse der Bestattungsrituale und der demografischen Dynamik will Prof. Fulminante die Rolle des Geschlechts in sozioökonomischen und politischen Beziehungen aufzeigen.
  • Prof. Dr. Jens Oliver Zinn (Australien) erforscht in Kooperation mit der Universität Oldenburg die Risikokommunikation in demokratischen Gesellschaften. Die wachsende Zahl von globalen Krisen lässt moderne Gesellschaften nach politischen Antworten suchen, die auch Anregungen zu Verhaltensänderungen beeinhalten, z.B. zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Die öffentliche Debatte ist dabei zentral, um Freiwilligkeit und Legitimität zu sichern. Prof. Zinn untersucht derartige Kommunikationspraktiken und greift dafür auf sozialwissenschaftliche Theorien und empirische Forschung zurück.

ARTS + LITERATURE

  • Emanuela Assenza (Deutschland) befasst sich mit dem künstlerischen Eigenwert des Stoffs. Sie untersucht ihn anhand von zeichnerischen Texturen, um eine Ästhetik des Stofflichen auf der Grundlage künstlerischen Schaffens zu entwickeln. Sie ist dabei von Fragen geleitet wie: Was ist im Bild, wenn dort keine Form ist? Im Rahmen des Projekts sollen Zeichnungen, phänomenologische Arbeitsbeschreibungen sowie Elemente zur Begründung eines monistischen Stoff-Form-Verhältnisses entstehen. Indem sie die Frage bearbeitet, welche Selbstwirksamkeit Kunst zu entwickeln vermag, erhofft sich Fr. Assenza Erkenntnisse über deren gesellschaftliche Relevanz.
  • Alexander Masters (Großbritannien) schreibt an einem Sachbuch im Grenzbereich von Bioethik, Patientenaktivismus und investigativem Wissenschaftsjournalismus. Das Buch bietet eine wissenschaftliche Detektivgeschichte im Kontext der Suche nach einem Heilmittel für Krebs und berührt dabei ethische Dilemmata wie die Notwendigkeit von klinischen Tests an Menschen. Es erzählt außerdem die Geschichten dreier Menschen, die als "erste Patienten" in den Genuss der Behandlung zu kommen hoffen. Das Buch ist eine Untersuchung moralischer Ambiguität, der Zwänge der Arzneimittelentwicklung und medizinethischer Grenzbereiche.

Pressekontakt

Bijan Kafi
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/
Head of Communications

Hanse-Wissenschaftskolleg (Institute for Advanced Study)
Lehmkuhlenbusch 4
27753 Delmenhorst
bkafi[at]hanse-ias.de
Fon: +49 (0) 4221 9160-171

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