Von inklusiven digitalen Gesundheitsdiensten über innovative Wissenschaftsmuseen bis zu Unterwasservulkanen: 14 neue Fellows kommen ans Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK)

14 neue Fellows aus 11 Ländern kommen ans HWK nach Delmenhorst. Sie erforschen unter anderem den Ausschluss älterer Menschen von der Nutzung digitaler Gesundheitsangebote, den Einfluss der Aktivität von Unterwasservulkanen auf die Entstehung des Lebens auf der Erde, intelligente Ladesysteme für elektrische Fahrzeuge und den Verfall politischer und sozialer Institutionen in Russland. Das HWK ermöglicht ihnen die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten der Universitäten Bremen und Oldenburg. 3 Artists in Residence befassen sich künstlerisch mit der Begegnung der Wissenschaften mit den Künsten.

BRAIN & MIND

  • Dr. Kufre Okop (Südafrika) erforscht in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen Mechanismen des Ausschlusses älterer Menschen von digitalen Gesundheitsangeboten. Untersuchungen haben gezeigt, dass "digital ausgeschlossene" Menschen einen schlechteren Gesundheitszustand haben, höhere Pflegekosten verursachen und bei der Pflege besonders von Angehörigen abhängig sind. Kufre Okop führt eine Studie durch, die bereits bestehende Gegenmaßnahmen untersucht und dazu ältere Menschen in mehreren Stadtteilen Bremens einbezieht. Die Studie will ermitteln, wie digitale Gesundheitsinitiativen ältere Menschen besser erreichen können und so Forscherinnen und Forschern, Gemeindemitgliedern und Interessenvertretungen unterstützen.
  • Prof. Dr. Janine Rogers (Kanada) befasst sich in Zusammenarbeit mit der Universität Oldenburg mit den sich wandelnden Wissensbeständen von Wissenschaftsmuseen. Sie fragt danach, wie Einrichtungen wie zum Beispiel Naturkundemuseen Erkenntnisse über eine Welt und den Platz des Menschen in ihr vermitteln, wenn diese sich wandelnden sozialen und ökologischen Herausforderungen ausgesetzt sind. Angemessene Antworten können nicht nur naturwissenschaftlicher Art sein, sondern müssen auch Kunst, Kultur und Gesellschaft einbeziehen. Wissenschaftsmuseen besitzen laut Prof. Rogers einzigartige Möglichkeiten, alle Aspekte kuratorisch zu verbinden. In mittelalterlichen Codices, die aus Tieren, Pflanzen und Mineralien hergestellt wurden, sieht sie einen Treffpunkt der Wissenschaften, der es erlaubt, die Welt auf neue Weise zu verstehen, und sucht ihn für die moderne Museumsarbeit zu erschließen.

EARTH

  • Prof. Dr. Stephen Giovannoni (USA) erforscht mit dem Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität (HIFMB) an der Universität Oldenburg die Evolution des Stoffwechsels von organischem Kohlenstoff in einer Gruppe von Meeresbakterien, die sich vor ca. 2 Milliarden Jahren entwickelt hat. Diese Zellen machen 10-30% aller Zellen in den heutigen Ozeanen aus. Bei der Untersuchung ihrer Genome entdeckte das Team von Prof. Giovannoni erstmals eine Parallelität mehrerer Stoffwechselwege zur Oxidation von organischem Kohlenstoff. Am HWK will er die Evolution der Stoffwechselwege in diesen Zellen untersuchen. Seine Forschung ist für das Verständnis der ozeanischen biologischen Kohlenstoffpumpe im Meer zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und Speicherung im Meer zentral.
  • Prof. Dr. Fumio Inagaki (Japan) erforscht in Zusammenarbeit mit dem MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen neue Wege zur Abschwächung der globalen Erwärmung durch Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (CCS). Die zerklüftete ozeanische Kruste stellt den bedeutendsten durchlässigen Raum unterhalb des Meeresbodens dar, in dem große Mengen an CO2 gespeichert werden könnten. Fast alle fraglichen Unterwasserumgebungen liegen im Bereich der tiefen Biosphäre, in der Mikroorganismen leben. Prof. Inagaki sucht zu verstehen, wie mikrobielle Ökosysteme am Meeresboden zu den Prozessen der Kohlenstoffumwandlung und -mineralisierung im Falle der Injektion von CO2-reichen Flüssigkeiten in basaltische Umgebungen beitragen.
  • Assoc. Prof. Dr. Eoghan Reeves (Norwegen) erforscht in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bremen und Oldenburg hydrothermale Schlote (Unterwasservulkane) in der Tiefsee. Er interessiert sich für ihr mikrobielles Leben, über das nur wenig bekannt ist. Erloschene hydrothermale Schlote sind auch ein wichtiges Ziel für den Tiefseebergbau, da sie möglicherweise Metalle enthalten, die für eine "grüne Wirtschaft" wichtig sind. Prof. Reeves untersucht anhand von mikrobiellem Lipidkohlenstoff Veränderungen in den Kohlenstoffflussprozessen, die auftreten, wenn Unterwasservulkane aufhören, Flüssigkeiten auszustoßen. Auf der Suche nach neuen organischen Molekülen analysiert er außerdem diese Flüssigkeiten und ihre mögliche Beziehung zu den Ursprüngen des Lebens. 
  • Prof. Dr. Marta E. Torres (USA) untersucht mit dem Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven (AWI) und am Bremer MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften Mechanismen des Methanausstoßes am Meeresboden vor der Küste Oregons. Sie interessiert sich für den Ursprung der Flüssigkeiten, die das Methan transportieren, und die Folgen dieses Prozesses für die Geologie und Biologie wie beispielsweise Erdbeben. Prof. Torres arbeitet mit beiden Partnerinstitutionen daran, die bei Expeditionen gesammelten Informationen zusammenzuführen. Außerdem sollen Strategien für ein integriertes Feldprogramm entwickelt werden, um die noch offenen Fragen zu den Wechselwirkungen zwischen Flüssigkeit und Gestein, deren Reaktionen auf sich ändernde ozeanische Bedingungen und die mögliche Rolle, die sie bei der Entstehung von Erdbeben spielen können, zu klären.

TECHNOLOGY & SCIENCE

  • Dr. Sudeshna Chandra (Indien) erforscht mit der Universität Oldenburg die Bedeutung von Nanomaterialien für leistungsfähigere Batteriesysteme. Obwohl die Forschung in diesem Bereich in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat, steht die Kommerzialisierung noch aus. Um den Mechanismus zu verstehen, welcher elektrochemischer Speicheraktivität zugrunde liegt, ist ein gründliches Verständnis der Änderungen des Oxidationszustands der Metalle und der damit verbundenen Ladungsstrukturen mit spezifischen Gegenionen erforderlich. Am HWK erprobt Dr. Chandra ein neues Nanokomposit aus Zinksulfid und Kupfersulfid als Elektrodenmaterial und setzt dazu elektrochemische Rastermikroskopie (SECM) ein.
  • Dr. Sanchari Deb (Großbritannien) erforscht das Potential lokaler Energiesysteme zur Dekarbonisierung der Energieerzeugung. Intelligente derartige Systeme bieten neben einem geringeren CO2-Ausstoß als Großanlagen eine Vielzahl weiterer Vorteile, wie etwa die Schaffung von Einkommen für Gemeinden. Sie helfen auch, das Netzmanagement zu verbessern, die Betriebskosten der Energieerzeugung zu senken und Engpässe zu überwinden. Dr. Deb erforscht die Planung und den Betrieb solcher Systeme und interessiert sich dabei besonders für den Einsatz intelligenter Algorithmen und paralleler Rechner.
  • Prof. Dr. Jing Jiang (Kanada) erforscht die lokale Gewinnung erneuerbarer Energie. Während Energie typischerweise zentral erzeugt und über Strom- und Gasleitungen an die Verbraucher weitergeleitet wird, haben kleine Anlagen in Verbrauchernähe viele Vorteile, unter anderem ihre größere Nachhaltigkeit. Durch solche integrierten Energiesysteme und die Kombination von elektrischer und thermischer Energie kann eine zuverlässige "grüne" Energieversorgung im Nahbereich gewährleistet werden. Prof. Jiang erforscht die Kohlenstoffbilanzen verschiedener Energieressourcen, die üblicherweise in integrierten Energiesystemen eingesetzt werden, über ihre gesamten Lebenszyklen hinweg und entwickelt Strategien für eine optimierte Regelung solcher Systeme.

SOCIETY

  • Prof. Dr. Annette Leibing (Kanada) untersucht in Zusammenarbeit mit der Universität Oldenburg Strategien für die Demenzpräventation. Weltweit sind 50 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen. Die meisten präventiven Gesundheitskampagnen zielen auf das Individuum ab ("Rauchen Sie nicht!"), obwohl jüngst ermittelte Risikofaktoren die soziale Dimension betonen (Zugang zu Gesundheitsfürsorge, gesunder Ernährung usw.). Studien haben gezeigt, dass Länder, in denen die Menschen guten Zugang zu guter Gesundheitsfürsorge und Bildung haben, fallende Erkrankungsraten aufweisen. Prof. Leibing will den Wandel im Verständnis von Demenz besser verstehen und untersucht den Präventionskontext dazu auf der historischen, nationalen, diskursiven und medialen Ebene.
  • Prof. Dr. Andrei Yakovlev (USA) von der Harvard University sucht in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen zu verstehen, wie der Verfall der politischen und sozialen Institutionen Russlands nach dessen Überfall auf die Ukraine möglich werden konnte und was interne und externe Akteure tun können, um ähnliche Prozesse in anderen Ländern zu verhindern. Prof. Yakovlev erforscht dazu auf politökonomischem Wege die Beziehungen zwischen den wichtigsten Gruppen der russischen Eliten und der Gesellschaft in den vergangenen 30 Jahren. Außerdem erforscht er die Interaktion der russischen Eliten mit externen Akteuren, vertreten durch internationale Organisationen, transnationale Unternehmen und ausländische Regierungen. Er will zeigen, wie nach einem Ende des Putin-Regimes ein Staat aufgebaut werden könnte, der seinen Bürgern gegenüber rechenschaftspflichtig und zu konstruktiver Zusammenarbeit mit anderen Ländern fähig wäre.

ARTS & LITERATURE

  • Frederico Câmara (Brasilien) untersucht die ästhetische Erfahrung der Wissenschaft künstlerisch. Wie wichtig ist sie tatsächlich und welche Forschung bietet Material für ihre ästhetische Erfahrung? Frederico Câmara geht in seinem Projekt in wissenschaftlichen Einrichtungen im Nordwesten (Bremen, Bremerhaven, Delmenhorst usw.) auf die Suche und interessiert sich dabei für die Rolle von Zeichnung und Fotografie in der wissenschaftlichen Geschichte. Im Rahmen von "Spaziergängen im Wald" will er außerdem Künstler und Wissenschaftler zum Austausch anregen. Daran schließt sich eine Recherche über historische und zeitgenössische Beispiele des wissenschaftlichen Bildes und seiner Rolle bei der Gestaltung und Veränderung unserer Beziehungen zur Wissenschaft und unserer natürlichen Umwelt an.
  • Mayako Kubo (Deutschland) ist Komponistin und will sich am HWK vertiefenden Studien für ihr Musiktheaterprojekt "SCHNEE" widmen. In diesem Stück will sie die Diskussion um KI und Robotertechnologie mit Diskursen zum Umgang mit älteren pflegebedürftigen Menschen verbinden. Das Stück greift eine japanische Legende auf, nach der alte, die Gemeinschaft vermeintlich belastende Menschen im Schnee ausgesetzt werden. Sie stellt einen Roboter vor, der eine Liebesbeziehung zu einer älteren Dame entwickelt, welche ihn seine Aufgabe, sie auszusetzen, ablehnen lässt. Das Stück widmet sich also der Frage nach der Befähigung von künstlicher Intelligenz zu Emotionen und stellt so die aktuelle Frage nach ihrem Bewusstsein im Medium der Musik dar.
  • Anna Pasco Bolta (Deutschland) befasst sich im Projekt "Everywhen" damit, wie sich das Leben erhält und wieviel seines Wesens in symbiotischen Beziehungen mit anderen Arten gegeben ist, sowie mit der Materialität von Informationstechnologien, zum Beispiel der Beobachtung, dass diese Spuren in Erde, Luft und Wasser hinterlassen. Frau Pasco Bolta erforscht, wie organische Materialien die Entwicklung der Informationstechnologie unterstützen und wie ihre Apparaturen in die Natur zurückkehren. Dazu beschäftigt sie sich mit einer Archäologie der informationstechnischen Medien, arbeitet mit Ökosystemen von Bakterien und anderen Mikroorganismen. Ihr Projekt zielt darauf ab, durch die Dezentralisierung der menschlichen Spezies eine heilende Beziehung zu ihrer Umwelt zu entwickeln. 

Pressekontakt

Bijan Kafi
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/
Head of Communications

Hanse-Wissenschaftskolleg (Institute for Advanced Study)
Lehmkuhlenbusch 4
27753 Delmenhorst
bkafi[at]hanse-ias.de
Fon: +49 (0) 4221 9160-171

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